Pro vyznannya UPA "Tod den Henkern" Der Spiegel 48/2002
12/09/2002 | Patriot
"Tod den Henkern"
Nationalistische Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg gegen Russland kämpften, sollen den Veteranen der Roten Armee gleichgestellt werden - ein Persilschein für Hitlers Handlanger?
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Semjon Schatzkich ist kein Hasenfuß. Das hat er im Krieg bewiesen, bei der sowjetischen Artillerie. Der Alte hat Stalingrad überlebt und die Panzerschlacht bei Kursk. Er war dabei, als Budapest befreit wurde und anschließend Prag.
Jetzt ist er 85, ein wenig zittrig auf den Beinen, doch noch von stattlicher Statur. Aber wenn er heutzutage durch Lwiw, das einstige Lemberg, geht, gleicht er einem geprügelten Hund.
Mit eingezogenem Kopf, eine Plastiktüte in der Hand, tappt Schatzkich die abschüssige Kellerstraße hinunter. Dann kommt jene Stelle, an der er jedes Mal die Parolen lesen muss, die seit Wochen in schwarzer Farbe auf verwitterten Hauswänden stehen: "Tod den Moskauern", "Weg mit den Russen", "Saujuden raus".
Jude ist Schatzkich nicht. Aber Russe allemal, einer aus dem Wolgagebiet, den das Kriegsende hierher verschlagen hat. Hätte er gewusst, dass diese Stadt ihren Namen fast so häufig wie ihre Herrscher wechselt und ihre Einwohner für Russen nicht viel übrig haben - er wäre weitergezogen.
In Lemberg, der Hauptstadt des Königreichs Galizien am östlichen Rand der Donaumonarchie, regierten bis 1918 die Habsburger. Dann kamen die Polen, nach dem Hitler-Stalin-Pakt von 1939 die Sowjets, zwei Jahre später Hitlers Wehrmacht. Nach der Vertreibung der Deutschen blieb die Stadt in Sowjethand.
Seit 1991 heißt sie Lwiw, ist ukrainisch und damit beschäftigt, die Spuren der sowjetischen Vergangenheit zu tilgen. Denn die Russen hätten das Land besonders perfide unterdrückt, sagen die Aktivisten der ukrainischen Unabhängigkeitsbewegung, deren Geburtsort Lwiw gewesen ist.
Schatzkich hat sich nachmittags mit anderen Veteranen im Russischen Kulturverein getroffen. Bevor es nach Hause geht, nimmt er die bunten Ordensspangen vom Jackett: "Mit denen käme ich keine hundert Meter weit", sagt der alte Frontkämpfer und lächelt bitter, "nicht in Lwiw. Schon gar nicht käme er bis zu "Speakers Corner", dem Terrain für öffentliche Diskussionen vor der Oper am Freiheitsprospekt. Dorthin, wo die hektografierten Brandschriften gegen die "imperialistische Politik Moskaus" und den "russenfreundlichen ukrainischen Präsidenten Kutschma und seine Bande" hängen.
An den Dauerprotest der Westukrainer gegen alles, was die Regierung in der 500 Kilometer entfernten Hauptstadt Kiew beschließt, hat man sich dort fast gewöhnt. Doch die neuen Parolen haben es in sich. "Macht Stepan Bandera zum Helden der Ukraine", steht an den Anschlagbrettern, "Rehabilitiert die Ukrainische Aufständischen-Armee!" Die Forderung bringt das Gemüt des Frontkämpfers Schatzkich in Wallung und das der elf Millionen Russen im Land.
Während in Lwiw längst Bandera-Büsten Behördenzimmer schmücken und eine der Hauptstraßen seinen Namen trägt, gilt Bandera den Russen noch immer als "Faschist". Jahrzehntelang hatten ihn sowjetische Schulbücher als Inkarnation des antikommunistischen Staatsfeindes vorgeführt, der nach 14 Jahren Jagd durch den KGB seine gerechte Strafe erhalten habe: Bandera starb am 15. Oktober 1959 auf der Treppe zu seiner Exilwohnung in der Münchner Kreittmayrstraße. Der sowjetische Agent Bogdan Staschynski hatte ihm aus einer doppelrohrigen Sprühpistole Zyankali ins Gesicht gespritzt.
Bandera war ein militanter ukrainischer Patriot. Nach 1921, als die Westukraine an Polen fiel, hatte er sich der illegalen Organisation Ukrainischer Nationalisten angeschlossen und den Polen einen erbitterten Partisanenkampf geliefert. Er landete im Gefängnis in Warschau, wurde nach dem Einmarsch der Deutschen 1939 befreit und diente sich Hitlers Abwehr an.
Geschult und ausgerüstet von den Deutschen, marschierte Banderas Bataillon "Nachtigall" Ende Juni 1941 in Lemberg ein. Gemeinsam mit ukrainischen Milizen beteiligte es sich an einer Hetzjagd auf Kommunisten und Juden. Angestachelt wurden sie von einem grausigen Fund: Der sowjetische Geheimdienst NKWD hatte in drei Lemberger Gefängnissen vor seinem Rückzug 4000 Häftlinge liquidiert.
Aber Bandera rief zum Entsetzen der Deutschen eigenmächtig einen "Ukrainischen Staat" aus. Er wurde verhaftet, landete im KZ Sachsenhausen und kam erst im Herbst 1944 wieder frei.
Seine Anhänger rekrutierten im Oktober 1942 die Ukrainische Aufständischen-Armee (UPA), die - so die Version der UPA-Veteranen - nun gegen die Deutschen kämpfte. Vor allem aber operierten die Rebellen im Hinterland der Roten Armee gegen die Sowjets, auch als der Krieg schon längst vorüber war. Erst 1954 konnte Moskau die UPA zerschlagen.
Lange hat das Kiewer Kabinett gezögert, bevor es nun "historischer Gerechtigkeit" zum Durchbruch verhelfen will: Ein Gesetz soll das Treiben der Rebellenarmee als Kampf für einen ukrainischen Staat festschreiben - die UPA-Veteranen würden damit denen der Sowjetarmee gleichgestellt.
Die Initiative hat einen Glaubenskrieg entfacht, in dem national gesinnte Ukrainer gegen Russen und ukrainische Juden fechten, als hielte die Geschichte nur die eine, absolute Wahrheit bereit - ihre.
Wo sei der Beweis, "dass die UPA jemals gegen Hitler gekämpft habe, und warum steckten ihre Soldaten in deutschen Uniformen?", fragen Schatzkich und Genossen: Nach dem Einmarsch in Lemberg hätten sie 20 Menschen am Balkon des Opernhauses aufgehängt, 15 000 Freiwillige für die SS-Division "Galizien" gestellt und "uns in den Rücken geschossen".
"In den Rücken geschossen?" Swjatoslaw Melnetschuk, 76, sitzt kopfschüttelnd im Ukrainischen Club von Tscherniwzi, hat die alte flaschengrüne Uniform der UPA angelegt und wundert sich über "so viel Hass und so viel Ignoranz". Er ist bei Tscherniwzi, dem alten Czernowitz, geboren, der Hauptstadt der Bukowina, die einst so österreichisch war wie das 200 Kilometer entfernte Lemberg. Nur mit dem Unterschied, dass zwischen den Weltkriegen hier die Rumänen das Sagen hatten.
Dass es unter den Ukrainern Sympathien für die Deutschen gab und Zehntausende sich als Freiwillige zu Polizei und Wehrmacht meldeten, bestreitet Melnetschuk gar nicht. "Aber ihr Traum vom eigenen Staat wurde enttäuscht", sagt er.
Auf der Flucht vor sowjetischen Truppen stieß er 1944 zur Bandera-Armee. Mit zehn Mann und einem Maschinengewehr attackierte er Armeeposten und Kasernen. "Wir kämpften unter derselben blaugelben Flagge, die jetzt Staatsflagge ist."
Geschichte, natürlich, müsse gemeinsam bewältigt werden, beteuert der Ex-Partisan. Jüngst hätten sie sich mit Veteranen der Roten Armee zusammengesetzt und ihnen erzählt, "wie viele unserer Kämpfer auf den Erschießungslisten der Deutschen standen. Und wie später die Kommunisten unsere Uniformen anzogen und nachts ukrainische Dörfer überfielen, nur um die UPA zu diskreditieren. Aber die wollten die Wahrheit nicht hören".
Die Gebietsverwaltung von Tscherniwzi, inzwischen kommunistenfrei, hat Melnetschuk bereits als "Teilnehmer am Widerstand" rehabilitiert. Er muss nur noch die halbe Wohnungsmiete zahlen und einen Bruchteil der normalen Kosten für Gas, Wasser und Strom. Genau wie die Veteranen der Roten Armee.
"Ja, sicher, Übergriffe gegen Juden hat es gegeben, aber für die Ukrainer waren sie Kommunisten", entschuldigt Melnetschuk seine Landsleute. "Dass Russlands Revolutionsführung nur aus Juden bestand, das weiß doch jeder. Und die Juden hier haben den Einmarsch der Sowjettruppen nach dem Hitler-Stalin-Pakt bejubelt."
Immerhin: Als er später, verraten und verurteilt zu 20 Jahren Zwangsarbeit, todkrank in den Kohleschächten von Workuta verschwand, "da rettete ein Jude mein Leben - der Arzt im Lagerkrankenhaus".
Jeder in Lemberg und Czernowitz pflegt seine eigene Wahrheit. Auch der Schriftsteller Josef Burg, 90, hat eine unumstößliche Sicht auf jene Zeit. Obwohl er Czernowitz schon am 13. Juni 1941 verlassen musste, mit 3000 weiteren Juden. Die anfangs begrüßte Sowjetmacht hatte sie in der Nacht aus den Wohnungen geholt und in Viehwagen nach Sibirien deportiert. Burg überlebte: Er kam nach fast 20-jähriger Odyssee in die Stadt zurück.
Mehr als 70 000 Bukowiner Juden verschwanden unter der deutsch-rumänischen Besatzung in Ghettos, dann in Todeslagern. Auch Burgs Familie kam um, die Mutter wurde bei Winniza erschossen. Unter Beteiligung von Ukrainern fand der Sohn heraus.
Die UPA rehabilitieren? "Niemals", sagt Burg. "Natürlich haben die mit den Deutschen zusammengearbeitet, sie haben auch in Babi Jar bei Kiew assistiert, wo die Nazis in zwei Tagen 34 000 Juden töteten."
Der letzte Jiddisch schreibende Schriftsteller, im österreichischen Czernowitz aufgewachsen, ist heute Ehrenbürger des ukrainischen Tscherniwzi. Aber er fühlt sich furchtbar allein. Wer von seinen Glaubensbrüdern nicht auf dem von Farn und Brennnesseln überwucherten Friedhof liegt, wo die Grabsteine an jüdische Regierungsräte, Baumeister und Spitaldirektoren der k.u.k.-Zeit erinnern, hat die Stadt Richtung Amerika oder Israel verlassen.
Der jüngste Streit um die Vergangenheit haucht dem jahrzehntelang staatlich gepflegten Antisemitismus neues Leben ein. Das sei ganz einfach, glaubt Burg: "Wer hier antirussisch ist, ist auch antijüdisch."
Den Überfall von Skinheads auf die Brodski-Synagoge von Kiew im April hat die Regierung noch als "Rowdytum von Fußballfanatikern" zu vertuschen versucht. Auch in Luzk und Nikolajew wurden Synagogen angegriffen, in Lwiw und Tscherniwzi jüdische Friedhöfe geschändet.
Eine Kiewer Zeitschrift, deren Chefredakteur immerhin Rektor der Akademie für Führungskader ist, propagiert offen die "Reinheit der Nation". Und das Lwiwer Monatsblatt "Idealist" druckte eine Liste von 400 ukrainischen Prominenten, die als "Schidy" deportiert werden müssten - darunter Ex-Präsident Leonid Krawtschuk, dessen richtiger Name "Leiba Makarowitsch Sinkel" laute, und Staatschef Leonid Kutschma, der ein Verwandter der früheren israelischen Regierungschefin Golda Meïr sei - was an deren Geburtsort Kiew niemand bestätigen noch dementieren mag. "Schidy" heißt: "Saujuden".
In Tscherniwzi glaubt niemand daran, dass die Rehabilitierung der UPA zu einem "gesamtukrainischen Versöhnungsakt" wird, wie Befürworter der Initiative propagieren. "Tod den Bandera-Henkern", haben die Kommunisten in grellem Rot an das neue Denkmal für die "Helden der Bukowiner Division" gepinselt. "Ruhm und Ehre für Bandera", antworteten ihre Gegner mit schwarzer Farbe.
CHRISTIAN NEEF
http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,224958,00.html
Nationalistische Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg gegen Russland kämpften, sollen den Veteranen der Roten Armee gleichgestellt werden - ein Persilschein für Hitlers Handlanger?
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Semjon Schatzkich ist kein Hasenfuß. Das hat er im Krieg bewiesen, bei der sowjetischen Artillerie. Der Alte hat Stalingrad überlebt und die Panzerschlacht bei Kursk. Er war dabei, als Budapest befreit wurde und anschließend Prag.
Jetzt ist er 85, ein wenig zittrig auf den Beinen, doch noch von stattlicher Statur. Aber wenn er heutzutage durch Lwiw, das einstige Lemberg, geht, gleicht er einem geprügelten Hund.
Mit eingezogenem Kopf, eine Plastiktüte in der Hand, tappt Schatzkich die abschüssige Kellerstraße hinunter. Dann kommt jene Stelle, an der er jedes Mal die Parolen lesen muss, die seit Wochen in schwarzer Farbe auf verwitterten Hauswänden stehen: "Tod den Moskauern", "Weg mit den Russen", "Saujuden raus".
Jude ist Schatzkich nicht. Aber Russe allemal, einer aus dem Wolgagebiet, den das Kriegsende hierher verschlagen hat. Hätte er gewusst, dass diese Stadt ihren Namen fast so häufig wie ihre Herrscher wechselt und ihre Einwohner für Russen nicht viel übrig haben - er wäre weitergezogen.
In Lemberg, der Hauptstadt des Königreichs Galizien am östlichen Rand der Donaumonarchie, regierten bis 1918 die Habsburger. Dann kamen die Polen, nach dem Hitler-Stalin-Pakt von 1939 die Sowjets, zwei Jahre später Hitlers Wehrmacht. Nach der Vertreibung der Deutschen blieb die Stadt in Sowjethand.
Seit 1991 heißt sie Lwiw, ist ukrainisch und damit beschäftigt, die Spuren der sowjetischen Vergangenheit zu tilgen. Denn die Russen hätten das Land besonders perfide unterdrückt, sagen die Aktivisten der ukrainischen Unabhängigkeitsbewegung, deren Geburtsort Lwiw gewesen ist.
Schatzkich hat sich nachmittags mit anderen Veteranen im Russischen Kulturverein getroffen. Bevor es nach Hause geht, nimmt er die bunten Ordensspangen vom Jackett: "Mit denen käme ich keine hundert Meter weit", sagt der alte Frontkämpfer und lächelt bitter, "nicht in Lwiw. Schon gar nicht käme er bis zu "Speakers Corner", dem Terrain für öffentliche Diskussionen vor der Oper am Freiheitsprospekt. Dorthin, wo die hektografierten Brandschriften gegen die "imperialistische Politik Moskaus" und den "russenfreundlichen ukrainischen Präsidenten Kutschma und seine Bande" hängen.
An den Dauerprotest der Westukrainer gegen alles, was die Regierung in der 500 Kilometer entfernten Hauptstadt Kiew beschließt, hat man sich dort fast gewöhnt. Doch die neuen Parolen haben es in sich. "Macht Stepan Bandera zum Helden der Ukraine", steht an den Anschlagbrettern, "Rehabilitiert die Ukrainische Aufständischen-Armee!" Die Forderung bringt das Gemüt des Frontkämpfers Schatzkich in Wallung und das der elf Millionen Russen im Land.
Während in Lwiw längst Bandera-Büsten Behördenzimmer schmücken und eine der Hauptstraßen seinen Namen trägt, gilt Bandera den Russen noch immer als "Faschist". Jahrzehntelang hatten ihn sowjetische Schulbücher als Inkarnation des antikommunistischen Staatsfeindes vorgeführt, der nach 14 Jahren Jagd durch den KGB seine gerechte Strafe erhalten habe: Bandera starb am 15. Oktober 1959 auf der Treppe zu seiner Exilwohnung in der Münchner Kreittmayrstraße. Der sowjetische Agent Bogdan Staschynski hatte ihm aus einer doppelrohrigen Sprühpistole Zyankali ins Gesicht gespritzt.
Bandera war ein militanter ukrainischer Patriot. Nach 1921, als die Westukraine an Polen fiel, hatte er sich der illegalen Organisation Ukrainischer Nationalisten angeschlossen und den Polen einen erbitterten Partisanenkampf geliefert. Er landete im Gefängnis in Warschau, wurde nach dem Einmarsch der Deutschen 1939 befreit und diente sich Hitlers Abwehr an.
Geschult und ausgerüstet von den Deutschen, marschierte Banderas Bataillon "Nachtigall" Ende Juni 1941 in Lemberg ein. Gemeinsam mit ukrainischen Milizen beteiligte es sich an einer Hetzjagd auf Kommunisten und Juden. Angestachelt wurden sie von einem grausigen Fund: Der sowjetische Geheimdienst NKWD hatte in drei Lemberger Gefängnissen vor seinem Rückzug 4000 Häftlinge liquidiert.
Aber Bandera rief zum Entsetzen der Deutschen eigenmächtig einen "Ukrainischen Staat" aus. Er wurde verhaftet, landete im KZ Sachsenhausen und kam erst im Herbst 1944 wieder frei.
Seine Anhänger rekrutierten im Oktober 1942 die Ukrainische Aufständischen-Armee (UPA), die - so die Version der UPA-Veteranen - nun gegen die Deutschen kämpfte. Vor allem aber operierten die Rebellen im Hinterland der Roten Armee gegen die Sowjets, auch als der Krieg schon längst vorüber war. Erst 1954 konnte Moskau die UPA zerschlagen.
Lange hat das Kiewer Kabinett gezögert, bevor es nun "historischer Gerechtigkeit" zum Durchbruch verhelfen will: Ein Gesetz soll das Treiben der Rebellenarmee als Kampf für einen ukrainischen Staat festschreiben - die UPA-Veteranen würden damit denen der Sowjetarmee gleichgestellt.
Die Initiative hat einen Glaubenskrieg entfacht, in dem national gesinnte Ukrainer gegen Russen und ukrainische Juden fechten, als hielte die Geschichte nur die eine, absolute Wahrheit bereit - ihre.
Wo sei der Beweis, "dass die UPA jemals gegen Hitler gekämpft habe, und warum steckten ihre Soldaten in deutschen Uniformen?", fragen Schatzkich und Genossen: Nach dem Einmarsch in Lemberg hätten sie 20 Menschen am Balkon des Opernhauses aufgehängt, 15 000 Freiwillige für die SS-Division "Galizien" gestellt und "uns in den Rücken geschossen".
"In den Rücken geschossen?" Swjatoslaw Melnetschuk, 76, sitzt kopfschüttelnd im Ukrainischen Club von Tscherniwzi, hat die alte flaschengrüne Uniform der UPA angelegt und wundert sich über "so viel Hass und so viel Ignoranz". Er ist bei Tscherniwzi, dem alten Czernowitz, geboren, der Hauptstadt der Bukowina, die einst so österreichisch war wie das 200 Kilometer entfernte Lemberg. Nur mit dem Unterschied, dass zwischen den Weltkriegen hier die Rumänen das Sagen hatten.
Dass es unter den Ukrainern Sympathien für die Deutschen gab und Zehntausende sich als Freiwillige zu Polizei und Wehrmacht meldeten, bestreitet Melnetschuk gar nicht. "Aber ihr Traum vom eigenen Staat wurde enttäuscht", sagt er.
Auf der Flucht vor sowjetischen Truppen stieß er 1944 zur Bandera-Armee. Mit zehn Mann und einem Maschinengewehr attackierte er Armeeposten und Kasernen. "Wir kämpften unter derselben blaugelben Flagge, die jetzt Staatsflagge ist."
Geschichte, natürlich, müsse gemeinsam bewältigt werden, beteuert der Ex-Partisan. Jüngst hätten sie sich mit Veteranen der Roten Armee zusammengesetzt und ihnen erzählt, "wie viele unserer Kämpfer auf den Erschießungslisten der Deutschen standen. Und wie später die Kommunisten unsere Uniformen anzogen und nachts ukrainische Dörfer überfielen, nur um die UPA zu diskreditieren. Aber die wollten die Wahrheit nicht hören".
Die Gebietsverwaltung von Tscherniwzi, inzwischen kommunistenfrei, hat Melnetschuk bereits als "Teilnehmer am Widerstand" rehabilitiert. Er muss nur noch die halbe Wohnungsmiete zahlen und einen Bruchteil der normalen Kosten für Gas, Wasser und Strom. Genau wie die Veteranen der Roten Armee.
"Ja, sicher, Übergriffe gegen Juden hat es gegeben, aber für die Ukrainer waren sie Kommunisten", entschuldigt Melnetschuk seine Landsleute. "Dass Russlands Revolutionsführung nur aus Juden bestand, das weiß doch jeder. Und die Juden hier haben den Einmarsch der Sowjettruppen nach dem Hitler-Stalin-Pakt bejubelt."
Immerhin: Als er später, verraten und verurteilt zu 20 Jahren Zwangsarbeit, todkrank in den Kohleschächten von Workuta verschwand, "da rettete ein Jude mein Leben - der Arzt im Lagerkrankenhaus".
Jeder in Lemberg und Czernowitz pflegt seine eigene Wahrheit. Auch der Schriftsteller Josef Burg, 90, hat eine unumstößliche Sicht auf jene Zeit. Obwohl er Czernowitz schon am 13. Juni 1941 verlassen musste, mit 3000 weiteren Juden. Die anfangs begrüßte Sowjetmacht hatte sie in der Nacht aus den Wohnungen geholt und in Viehwagen nach Sibirien deportiert. Burg überlebte: Er kam nach fast 20-jähriger Odyssee in die Stadt zurück.
Mehr als 70 000 Bukowiner Juden verschwanden unter der deutsch-rumänischen Besatzung in Ghettos, dann in Todeslagern. Auch Burgs Familie kam um, die Mutter wurde bei Winniza erschossen. Unter Beteiligung von Ukrainern fand der Sohn heraus.
Die UPA rehabilitieren? "Niemals", sagt Burg. "Natürlich haben die mit den Deutschen zusammengearbeitet, sie haben auch in Babi Jar bei Kiew assistiert, wo die Nazis in zwei Tagen 34 000 Juden töteten."
Der letzte Jiddisch schreibende Schriftsteller, im österreichischen Czernowitz aufgewachsen, ist heute Ehrenbürger des ukrainischen Tscherniwzi. Aber er fühlt sich furchtbar allein. Wer von seinen Glaubensbrüdern nicht auf dem von Farn und Brennnesseln überwucherten Friedhof liegt, wo die Grabsteine an jüdische Regierungsräte, Baumeister und Spitaldirektoren der k.u.k.-Zeit erinnern, hat die Stadt Richtung Amerika oder Israel verlassen.
Der jüngste Streit um die Vergangenheit haucht dem jahrzehntelang staatlich gepflegten Antisemitismus neues Leben ein. Das sei ganz einfach, glaubt Burg: "Wer hier antirussisch ist, ist auch antijüdisch."
Den Überfall von Skinheads auf die Brodski-Synagoge von Kiew im April hat die Regierung noch als "Rowdytum von Fußballfanatikern" zu vertuschen versucht. Auch in Luzk und Nikolajew wurden Synagogen angegriffen, in Lwiw und Tscherniwzi jüdische Friedhöfe geschändet.
Eine Kiewer Zeitschrift, deren Chefredakteur immerhin Rektor der Akademie für Führungskader ist, propagiert offen die "Reinheit der Nation". Und das Lwiwer Monatsblatt "Idealist" druckte eine Liste von 400 ukrainischen Prominenten, die als "Schidy" deportiert werden müssten - darunter Ex-Präsident Leonid Krawtschuk, dessen richtiger Name "Leiba Makarowitsch Sinkel" laute, und Staatschef Leonid Kutschma, der ein Verwandter der früheren israelischen Regierungschefin Golda Meïr sei - was an deren Geburtsort Kiew niemand bestätigen noch dementieren mag. "Schidy" heißt: "Saujuden".
In Tscherniwzi glaubt niemand daran, dass die Rehabilitierung der UPA zu einem "gesamtukrainischen Versöhnungsakt" wird, wie Befürworter der Initiative propagieren. "Tod den Bandera-Henkern", haben die Kommunisten in grellem Rot an das neue Denkmal für die "Helden der Bukowiner Division" gepinselt. "Ruhm und Ehre für Bandera", antworteten ihre Gegner mit schwarzer Farbe.
CHRISTIAN NEEF
http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,224958,00.html
³äïîâ³ä³
2002.12.09 | Àáäóëà
Re: Pro vyznannya UPA "Tod den Henkern" Der Spiegel 48/2002
Das ist eine wirkliche Tragödie von dem ukrainischen Volk und nur die Zeit kann sie endlich heilen. Aber die Nation muss sich doch vereinigen. Auf welchem Grund?